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Adventures Unlimited

Einleitung: Part I
Amiga 500: Part II | Part III | Part IV | Part V | Part VI
Part VII | Part VIII | Part IX | Part X | Part XI
Part XII | Part XIII | Part XIV | Part XV
Commodore 64: Part XVI | Part XVII
Amiga 1200: Part XVIII | Part XIX | Part XX
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Kolumne 65: (Zu) lang ist's her - Part XX
Am 21. September 2014 veröffentlichte ich den ersten Part dieser Kolumnen-Reihe. Bereits damals wusste ich, es wird eines der umfangreichsten zusammenhängenden Werke sein, die ich jemals verfasst haben würde. Mittlerweile bin ich selbst darüber erstaunt, wie umfangreich das alles über die Jahre geworden ist. Satte 20(!) Kolumnen, jede mit einem ziemlich ordentlichen Umfang, sind nun online. Die Anzahl der Wörter, Sätze und Buchstaben ... Die zig A4-Seiten, welche die Reihe ausgedruckt füllen würde ... Die vielen Stunden, die in diese Artikel flossen ... Wer das eigentlich alles liest... Durchweg Punkte, über die ich schon lange nicht mehr nachdenke. Stattdessen genieße ich die Erinnerungen, die mich jedes einzelne Mal erneut überraschen. Es ist verrückt, wie viel ich immer wieder in meinen Hirnwindungen entstaube. Dinge, über die ich Jahre nicht nachdachte. Genau das ist es, was ich an dieser Kolumnen-Reihe so liebe. Es macht derart viel Spaß, dass ich mich immer mal wieder dabei erwische, absichtlich Pausen einzulegen, weil ich nicht möchte, dass es endet. Dabei habe ich noch so viel im Kopf. Ich möchte nicht wissen, wie groß dieses Machwerk sein wird, wenn ich irgendwann das Ende erreiche. Eines ist nur sicher: Das ganz große Finale ist noch ein gutes Stück weit entfernt.
Erben der Erde: Die große Suche
Bei diesem Adventure erinnere ich mich an die Stimmung rund um das Release. Es löste nämlich eine gewisse Sprachlosigkeit aus, obwohl das eigentlich ironischerweise genau das Gegenteil darstellte, was die Amiga-CD-Version 1995 lieferte: Die besaß nämlich komplett deutsche Sprachausgabe. Mir ist da noch ziemlich gut das Review der Zeitschrift ‚Amiga Games‘ im Kopf, in der bereits die Einleitung zum Review der CD-Fassung eben diese Sprachlosigkeit zum Ausdruck bringt. Vor allem der letzte Satz ist mir ins Gedächtnis gebrannt: „[…] Inzwischen wurde die CD-Version fertiggestellt, und man höre und staune, glänzt die doch tatsächlich mit durchgehend deutscher Sprachausgabe.“ Man spürt förmlich die Ungläubigkeit des Redakteurs beim Lesen dieser einen Zeile. Auf der Gegenseite – mir nämlich – löste es echte Begeisterung aus. Fortan hatte ich nur noch den Kauf im Sinn. Leider besaß ich zu dieser Zeit noch kein CD-Laufwerk am Amiga, womit mir nichts anderes übrig blieb, als mir eines anzuschaffen. Gar nicht so leicht, als Schulpflichtiger das Geld aufzubringen. Ich weiß noch, ich kaufte erst das CD-Laufwerk und einige Wochen später das Adventure selbst. Mit Taschengeld und einem lausig bezahlten Job des Zeitungsaustragens ging eben nicht mehr. Ein guter damaliger Freund hatte mir da jedenfalls etwas voraus und präsentierte mir bei den oft getätigten Besuchen in seinem Elternhaus stolz das Adventure. Es ist nicht so richtig erklärbar, wie sich das bei mir anfühlte, so tolle deutsche Sprachausgabe auf meinem Lieblingsrechner zu hören. Ich meine, man kannte natürlich bereits die zahlreichen Adventures vom PC, bei denen gerade die geliebten ‚LucasArts‘-Spiele durchweg mit toller deutscher Sprachausgabe zu punkten wussten. Auf der DOSe vollkommen normal, auf dem Amiga schlug ‚Erben der Erde‘ in der CD-Fassung stattdessen in ein unglaublich großes Brachland ein. Denn wenn Titel für die Freundin mal gesprochene Dialoge besaßen – wie zum Beispiel ‚Simon the Sorcerer‘ – gab‘s die leider zu einem sehr großen Teil ausschließlich nur in Englisch.

Jedenfalls machte sich die deutsche Sprachausgabe über alle Maßen bezahlt. Auf dem Amiga sorgte alleine dieses eine Spiel für zahlreiche Verkäufe von CD-ROM-Laufwerken oder der Anschaffung/Entstaubung einer Amiga-CD³²-Konsole. Die Verkaufszahlen des Adventures selbst sind mir zwar nicht bekannt, aber wenn man einen Amiga-User dieser Zeit auf ‚Erben der Erde‘ anspricht, dürfte die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch sein, dass es sich in seinem Sortiment befand. Und so ging der Titel in die Amiga-Historie ein. Ganz anders auf dem PC: Dort wurden nicht einmal die angepeilten Verkaufszahlen erreicht, was leider sämtliche Fortsetzungspläne stoppte. Ziemlich problematisch, denn ‚Erben der Erde‘ hat leider einen der offensten Cliffhanger-Epiloge, den man sich vorstellen kann. Es schrie förmlich nach einem Sequel. Ich wollte definitiv wissen, wie es weitergeht und habe erst viel später erfahren, dass das Adventure ursprünglich Pläne einer Trilogie verfolgte. Im Jahre 2014 gab‘s dann sogar noch eine Kickstarter-Kampagne, mit der die ursprünglichen Macher um Geld für eine Fortsetzung namens „Sand and Shadows“ baten. Mit rund 26.000$ verfehlte man das Ziel von knapp 145.000$ mit großen Abstand. Woran es lag, kann ich nur mutmaßen. Jedoch zeigte der Kickstarter-Teaser bereits erste Spielszenen der Fortsetzung und die sahen so unfassbar billig produziert aus, sie erinnerten an ein Adventure der 90er, welches man in einer Müsli-Packung als kostenlose Dreingabe fand. Nichts, einfach nichts, vom optischen Charme des Originals blieb übrig. Natürlich ist Grafik nicht alles, doch wenn der Vorgänger bereits eine gewisse Qualität vorlegt, dann muss ein Sequel diesen Standard mindestens ebenfalls erreichen. Ansonsten fühlt sich das schlicht nicht richtig an. Tatsächlich ist die Fortsetzung zum Datum des Schreibens dieser Zeilen noch immer in Entwicklung und macht häppchenweise kleine Fortschritte. Die sind aber so klein, dass ich mich gar soweit aus dem Fenster lehne und ein Release selbst für die kommenden Jahre ziemlich unwahrscheinlich halte.

Aber ist es nur die deutsche Sprachausgabe gewesen, die das Original so besonders machte? Nun, ich denke, dass sie selbstredend die Sympathie der Spieler initial weckte, doch ein Blender war sie keinesfalls. Denn legte man die CD-ROM ins Laufwerk und ging auf die Große Suche, offenbart der Titel viele Stärken: eine tolle Geschichte, eine interessante Welt und sympathische Charaktere. Alleine der Umfang schlug den zwei Jahre vorher propagierten Werbeslogan von ‚Indiana Jones and the Fate of Atlantis‘, woran ich mich noch gut erinnere. Warb ‚LucasArts‘ dort noch mit 200 Locations, übertrumpft ‚Erben der Erde‘ diesen ohnehin hohen Wert nochmals um weitere 100. Klingt zwar beeindruckend, allerdings greifen beide Titel auf denselben Trick zurück. Sie zählen nämlich alle Räume mit, welche sich nur in wenigen grafischen Assets unterscheiden – wie etwa in Labyrinthen. In meinen Augen macht das ‚Indy IV‘ etwas geschickter. Anders als beim Peitschenschwinger griff man überdies in ‚Erben der Erde‘ zusätzlich auf übergroße Locations in isometrischer 3D-Ansicht zurück, was Vor- und Nachteile hat. So gaben sie einen ziemlich guten räumlichen Eindruck, wie weitläufig beispielsweise der Jahrmarkt zu Beginn oder etwaige Dörfer der verschiedenen Stämme tatsächlich sind. Dennoch habe ich diese Abschnitte nicht so gern gemocht. Sie fühlten sich irgendwie unkomfortabel an, zudem ließen sie auf einem Standard-A1200 die Performance ziemlich absacken.
Zur Handlung: Der Spieler übernimmt die Rolle des jungen Fuchses Rif, der schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Er wird des Diebstahls der so genannten Sturmkugel beschuldigt. Mit diesem Gegenstand haben die Tiere die Möglichkeit, exakte Wettervorhersagen zu machen, um damit beispielsweise die Bestrebungen im Ackerbau perfekt zu takten. In ihrer Hilflosigkeit, wer nun die Sturmkugel entwedet haben könnte, werfen die einzelnen Stämme mit Anschuldigungen nur so um sich, sind sich dann plötzlich jedoch schnell einig, dass nur ein schlauer Fuchs für die Tat verantwortlich sein kann. Obwohl Rif nicht mal in der Nähe des Tatortes war, wird er nicht nur angeklagt, sondern gleich noch seine Freundin Rhene von den Keilern gefangengenommen. Erst wenn er seine Unschuld bewiesen hat, wird sie wieder freigelassen.

So absurd diese Einleitung auch sein mag, Rif nimmt selbstredend die Ermittlungen direkt auf, bekommt aber zwei Abgesandte an die Seite gestellt: Okk, vom Stamm der Keiler sowie Eah, vom Stamm der Elche. Noch wissen die Drei nicht, dass aus ihrem Misstrauen füreinander bald eine wahre Freundschaft erwachsen wird. In meinen Augen ist dies einer der großen Stärken. Generell zeigt sich ‚Erben der Erde‘ oft sehr sympathisch. Ich liebte es, den Dialogen aufmerksam zu lauschen. Den Besuch bei Tycho Nordpfot mache ich beispielsweise immer wieder gern. Der gut viertelstündige Dialog des Kennenlernens ist so angenehm geschrieben, so sympathisch vorgetragen, es wirkt beinahe wie ein Hörspiel. Die Basis einer Fabel, den das Adventure verfolgt, ist zudem selbst für Kinder bedenkenlos geeignet. Denn natürlich stehen die Tiere einmal mehr stellvertretend für uns Menschen, die trotz ihrer Reife und tollen Technologien noch immer mit vielen Vorurteilen zu kämpfen haben. Es ist schlicht unfassbarer Unsinn, jemanden nach Aussehen, Herkunft oder was-weiß-ich in eine Schublade zu stecken. Letztlich sind wir alle Menschen auf dem gleichen Planeten und jeder hat eine Chance verdient, sich zu beweisen. In meinen Augen können Kinder das nicht früh genug lernen!

Vielleicht mag es ein wenig weit hergeholt erscheinen, doch irgendwie hat mich das Adventure generell schon immer dazu gebracht, über das Konstrukt von Freundschaft nachzudenken. Natürlich ist es nur ein Computerspiel, aber gerade für jüngere Generationen finden sich genügend Botschaften zwischen den Zeilen. Botschaften, welche zwar heute noch immer genau so Bestand haben wie jeher, scheinbar leider mehr und mehr verloren zu gehen scheinen. In meinen Augen sind wahre Freunde Brüder und Schwestern, die man sich selbst heraussucht. Tatsächlich fällt es mir leicht, so etwas zu schreiben. Dabei hatte ich doch in meinem Leben in Wahrheit einfach nur ein unfassbares Glück, auf so tolle Menschen getroffen zu sein. Denn egal, wer oder was ich heute bin: Ohne meine Familie und meine Freunde wäre ich definitiv ein anderer.

Nebst der Suche nach der Sturmkugel sticht das Wandeln in den verblassten Spuren der Menschheit als ein sehr interessanter Nebenplot des Adventures hervor. Man sucht zwar nicht absichtlich nach Hinweisen auf deren Verbleib, kommt jedoch regelmäßig mit den Rudimenten ihres Daseins in Berührung. Leider gibt es keine finalen Antworten auf die wichtigsten Fragen: Nämlich was aus der Menschheit geworden ist. Wo sind sie hin? Warum sind die Tiere plötzlich intelligent und können sprechen? Alles wird nur angedeutet, nicht aber beantwortet. Ich gebe zu, für mich schuf dieser Nebenplot schon einen gewissen Reiz. Gerade Locations wie der alte Flughafen empfand ich als sehr spannend. Zudem auch einfach interessant, wenn beispielsweise Rif, Okk und Eah versuchen, Utensilien der Menschheit irgendwie zu deuten. Außerdem stellte sich mir die Frage, warum nicht alle Tiere die hohe Intelligenz aufweisen. Im Wald sieht man nämlich immer wieder Eichhörnchen, Hasen oder Vögel, die scheinbar von der rasanten Evolution übergangen wurden und keine erwähnenswerte Entwicklung erlebten. Die fehlenden Antworten finde ich schade – ebenso wie das offene Ende, bei dem klar wird, dass die Sturmkugel nicht nur das Wetter vorhersagt, sondern auch kontrollieren kann. Was die drei Gefährten allerdings am Ende nicht wissen: Das Wetter wurde bereits manipuliert und eine Trockenperiode eingeleitet. Genau an dieser Stelle endet das Adventure. Das war vor über 25 Jahren. Nach dieser langen Zeit des Wartens bezweifle ich jedoch, jemals zu erfahren, wie es weitergegangen wäre.
'Erben der Erde' (Amiga AGA-CD/1995) - Ein sympathisches Fabel-Adventure über Freundschaft und die große Suche danach, was eigentlich aus der Menschheit geworden ist

Dreamweb
Hierbei handelt es sich um ein weiteres Adventure, welches mich damals wirklich beeindruckte, obgleich auf eine andere Weise. Ich bilde mir jedenfalls bis heute ein, niemals vorher ein erwachseneres Spiel gespielt zu haben. Wir schrieben das Jahr 1995 (ursprünglicher Release des Titels: 1994), Möchtegern-Flauschebart und Jugendweihe waren nicht weit entfernt. Tatsächlich lechzte ich damals nach erwachseneren Themen. Das Adventure ‚Dreamweb‘ füllte diese Lücke völlig unerwartet. Es enthielt einfach alles, was sonst nur erwachsene Medien boten: Sex und Gewalt eben. Mein Interesse hatte es. Es fing schon super an: Ryan erwacht in seiner eigenen Bude, seine liebende Freundin liegt neben ihm. Liest sich sicherlich total unbeeindruckend, doch ich kannte irgendwie keinen Titel, der das so erwachsen, so normal zeigte. Freund und Freundin liegen zusammen im Bett und unterhalten sich einfach. Ein ganz normales Leben in einer ebenso normalen Alltagssituation. Jedoch etwas Derartiges in einem Spiel abgebildet zu sehen, bewies mir wieder, dass das Medium Computerspiel einfach mehr konnte. Obendrein befand ich mich mitten in den Teenager-Jahren. Daheim in seiner eigenen Bude zu erwachen, eine liebevolle Freundin neben einem. Wer wünschte sich das in dem Alter nicht? Leider ging's im Anschluss für den Protagonisten Ryan blöderweise komplett bergab. Den plagen nämlich seit einigen Nächten diverse Alpträume über das Ende der Menschheit, was ihn regelmäßug schweißgebadet erwachen lässt. So auch jene Nacht, in der das Adventure seinen Anfang nimmt. Leider sind Träume für Ryan alles andere als Schäume, erlebt er doch Bilder aus einer möglichen apokalyptischen Zukunft. Zudem erscheint ihm ein Wächter des namensgebenden Dreamwebs – einer Art Netz, welches alle Stränge der Zeit miteinander verbindet – im Schlaf. Was genau zur Auslöschung führt, bekommt Ryan nicht zu erfahren. Lediglich die Namen von sieben verschiedenen Personen. Die leben zwar unscheinbar vor sich hin, werden aber – so der Wächter weiter – bald Schlüsselfiguren für die kommende Apokalypse sein. Es gibt nur einen Ausweg, diese Katastrophe zu verhindern: Alle Sieben müssen sterben.

So obskur die Forderungen des Wächters klingt, sieben Menschen kaltblütig zu ermorden: Ryan hinterfragt sie nicht. Tief in sich drin fühlt er nämlich, es ist die Wahrheit beziehungsweise wird sie es irgendwann sein. Daher fackelt er nicht lange, besorgt sich eine Waffe sowie die Informationen zum momentanen Verbleib der einzelnen Opfer und macht mit denen hintereinander kurzen Prozess. Gerade die Durchführungen der Attentate hat mich damals extrem umgehauen, zeigt sich das Adventure in diesen Szenen äußerst brutal, beinahe mitleidslos. Den ersten Mord an dem Rockstar David Crane werde ich jedenfalls nie mehr vergessen können. Ich war schlicht nicht auf das vorbereitet, was ich da sah. Es lag dabei noch nicht einmal an der Brutalität an sich. Ich erwartete schlicht nicht das, was mir der Titel hier präsentierte, als Ryan das Hotel betritt, indem sich sein erstes Opfer einquartiert hatte.
An dieser Stelle möchte ich mal ein interessantes Experiment versuchen und die Geschehnisse der nächsten rund zwei Spiel-Minuten nach dem Betreten des Hotels mit dem Tenor des Adventures selbst nacherzählen. Denn eine für mich große Stärke sind die Beschreibungen der zahllosen anklickbaren Hotspots. Deren romanartige Fomulierung unterstreicht die Präsentation auf eine besondere Art und Weise. Sie lassen uns ganz nebenbei stärker in die Gefühlswelt Ryans eintauchen. Denn er ist alles andere als ein kaltblütiger Mörder, nichtsdestotrotz fest entschlossen, die Welt zu retten. Doch er weiß, für dieses höhere Ziel müssen sieben Menschen sterben. Letztlich läuft alles auf die bekannte philosophische Frage hinaus, ob es hinnehmbar ist, wenige für viele zu opfern. Also dann versuche ich mich mal an einer passenden Nacherzählung des Crane Attentats. Stellen wir uns also vor, Ryan betritt das Hotel Regency, spricht die Rezeptionistin an und bucht ein Zimmer – eine Etage unter der seines Ziels:

... Obwohl eine Suite im Hotel Regency sämtliche finanziellen Mittel eines Barkeepers bei weitem übersteigt, checkt Ryan dennoch ein. Sein luxeriöses Zimmer wird er allerdings nie betreten. Doch ohne gültige Keycard, ist es unmöglich in die oberen Etagen zu gelangen. Freundlich verabschiedet er sich von der Rezeptionistin, betritt in aller Ruhe den Fahrstuhl und fährt wie ein normaler Gast auf die Etage seines Zimmers. Keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Aus einem Kasten der Feuerwehr für Notfälle greift er sich die darin befindliche Feuerwehraxt und zerstört die Elektronik des Fahrstuhles. Unangemeldete Gäste wären ein großes Problem. Niemand soll in das hineingezogen werden, was gleich passiert. Jetzt gibt es kein zurück mehr: Ryan klettert über das Dach des Lifts langsam nach oben. Hinter den noch geschlossenen Fahrstuhltüren vor ihm wird sein erstes Ziel sein. Die Axt wird kurzerhand als Stemmeisen zweckentfremded. Die Türen öffnen sich einen Spalt, gerade groß genug hindurchzuschlüpfen. Ryan nutzt diese Chance, um auf der anderen Seite plötzlich zwei zutiefst erschrockenen Wachleuten gegenüber zu stehen. Einer sitzt nur einen Meter links von ihm und lässt die Füße im Pool des Zimmers baumeln. Auf der anderen Seite des Raumes zieht der Zweite seine Waffe derart überhastet, er bemerkt noch nicht einmal, wie ihm sein Getränk aus der Hand fällt. Von der Schwerkraft angezogen, fällt es in das blau schimmernde Nass des Pools. Nun geht alles ganz schnell. Ryan nimmt alle Kraft zusammen, schwingt die Axt, die mit voller Wucht tief in den Torso des ersten Sicherheitsmannes direkt neben ihm eindringt. Unter schmerzhaften Krämpfen bricht das Opfer zusammen. Nur einen Moment später ist es vorbei. Der Wachmann ist tot. Ryan hat keine Zeit zu verlieren, immerhin ist noch eine Waffe auf ihn gerichtet. Er greift schnell in seinen Mantel, zieht seine eigene Pistole und schießt seinem Gegenüber direkt in den Kopf. Der Weg zu Crane ist frei. Wird sein Tod tatsächlich die Apokalypse verhindern? Aber die Zeit für solche Gedanken ist vorbei, es geht nur noch nach vorn. In den Beischlaf mit einer jungen Frau vertieft, ahnt der Rockstar jedenfalls nichts von dem, was sich vor wenigen Momenten nebenan abspielte. Ryan betritt langsam das Schlafzimmer. Als ihn die Gespielin voller Entsetzen in der Tür bemerkt, schreit sie panisch auf und verkriecht sich schutzsuchend unter dem Bett. Crane bedeckt geistesabwesend seine Blöße mit dem ersten Kissen, was er zu fassen bekommt. Stille. Der Rockstar sieht Ryan einen kurzen Moment innehaltend in die Augen: „Also hast Du mich gefunden? Mich zu töten wird Dir nicht viel bringen. Wenn Du mich tötest, werden die anderen nur stärker.“ Die Worte verpuffen, als wären sie nie gesagt wurden. Es gibt keinen Ausweg. Dennoch ist da Cranes innere Stimme der Angst, die hofft, das nun Folgende würde nicht passieren. „Nein, bitte! Lass mich leben“, fleht er ein erstes und letztes Mal. Doch die Entscheidung ist längst gefallen. Mit zitternder Hand betätigt Ryan ein zweites Mal den Abzug seiner Waffe. Es ist vorbei ...

Puh, das haut mich tatsächlich immer noch heute ein wenig um. Vielleicht weil ich das Geschehen unverändert mit den Augen von damals betrachte. Würde ich's heute sehen und nicht kennen, wäre das Empfinden sicherlich ein anderes. Anno 1995 verblüffte Derartiges meine Freunde und mich jedenfalls. Gerade das erste Attentat gab viel Stoff für Gespräche her. Allerdings ist's im Spiel dann nicht so flüssig umgesetzt, wie ich es gerade versucht habe, nachzuerzählen. Obendrein sind die sechs anschließenden Morde deutlich weniger aufwendig inszeniert. Nichtsdestotrotz muss man sich während deren Durchführungen oft mittels Trial-and-Error-Verfahren langsam zum Opfer herantasten. Alternative Lösungsmöglichkeiten gibt es nicht. Alles muss genau so geschehen, wie es die Macher vorgesehen haben. Macht man einen Fehler oder lässt sich Zeit, geht's stattdessen Ryan an den Kragen. Ich habe mich da damals wahrlich zum Teil "durchgestorben". Aber ich konnte nicht anders: ‚Dreamweb‘ erzählt seine Geschichte viel zu interessant. Das Ende ließ mich zudem eine ganze zeitlang nicht mehr los. Auf dem Weg dahin will man immer wissen, wie es weitergeht. Obendrein finde ich bis heute bemerkenswert, wie stark der Titel mich in die Handlung hineinziehen konnte, obwohl der doch komplett aus der eigentlich entfernten Vogelperspektive erzählt wird. Das geschickte Zusammenspiel von Präsentation und Akustik schafft nämlich eine unglaublich düstere sowie vereinnahmende Atmosphäre. Und wie bereits gesagt, mag ich noch immer die Art und Weise, wie Dinge beim Betrachten beschrieben werden. Die romanartigen Ausführungen in den Objekt- sowie Personenbeschreibungen haben schlicht was. In der PC-CD-Fassung sogar unterlegt mit komplett deutscher Sprachausgabe. Die fand leider wie üblich nicht den Weg auf meinen Lieblingscomputer. Wer das Adventure übrigens noch gar nicht kennt und nun vielleicht auf den Geschmack gekommen ist, sollte mal einen Blick in unsere Info-Box riskieren. ‚Dreamweb‘ steht unter dem dortigen Link legal komplett kostenlos zum Download bereit. Für Neulinge könnte sich jedoch das für mich damals so Besondere, heute nicht mehr wirklich erschließen. Ein ständiges Grundproblem, wenn man heutigen Spielern die Titel von damals nahebringen möchte. Die Zeit lässt sich eben nicht zurückdrehen.
'Dreamweb' ist Freeware
Auf der offiziellen 'ScummVM'-Projekt-Seite kann 'Dreamweb' (PC/VGA) kostenlos und absolut legal bezogen werden. Die Floppy-Variante leider nur in Englisch, dafür entschädigt jedoch die ohnehin dort zu habende deutsche CD-Version. (Zur Downloadseite).
HINWEIS: Zur Nutzung ist der Interpreter Voraussetzung.
'Dreamweb' (Amiga AGA/1994) - Lässt sich nur mit zwei Worten beschreiben: Brutal und Erwachsen

Universe
Jetzt erhebt sich wahrscheinlich bei dem ein oder anderen Amiga-Veteran der belehrende Zeigefinger: „Universe gab es gar nicht als AGA-Fassung“, wird die Stimme der Erkenntnis durch die Hirnwindungen pfeifen. Aber in der Tat haben wir mit diesem Adventure ein Paradebeispiel dafür, was talentierte Programmierer alles aus den alten ECS-Chips quetschen konnten. Ja, ich habe mich nicht verschrieben: ECS. Das Chipset, welches im Amiga 500, 600 sowie den anderen frühen Ablegern zu finden war und das im Standard-Modus nur 32 Farben gleichzeitig packte. Was sucht dieses Adventure dann also unter den AGA-Titeln? Ganz einfach: 'Universe' erstrahlt in 256 Farben, selbst auf einem ECS-Amiga. Kaum zu glauben, aber wahr. Die findigen Programmierer des britischen Entwicklers 'Core Design' schafften nämlich das Unglaubliche. Ein speziell enwickelter Grafikmotor namens SPAC (Super Pre-Adjusted Colour) bekam es wirklich hin, selbst auf einem ECS-Amiga 256 Farben zu erzeugen. Wie ist das möglich? Sie tricksten den so genannten Extra-Halfbright-Modus aus. Grundsätzlich konnte der verwendet werden, um den 32 gleichzeitig darstellbaren Farben des ECS-Amigas weitere 32 hinzuzufügen. Diese zusätzlichen Kolorite waren dann – daher auch der Name – 50% so hell wie die originalen Pandons. Kam bei Spielen allerdings ziemlich selten zur Anwendung. Die Mannen von 'Core Design' trieben besagte Modi jedoch mit einem cleveren Trick auf die Spitze. Im Endresultat packten die ECS-Chips dann, was eigentlich nur den AGA-Schwestern sowie dem PC-VGA-Standard vorbehalten bleiben sollte: 256 Farben. Ich möchte hier nicht mit technischen Details langweilen und lasse stattdessen einen der Programmierer zu Wort kommen. Der meldete sich 2014 im bekannten 'English Amiga Board' zu Wort, um den Trick genauer zu erläutern.
„We used extra halfbrite mode and changed the first 15 colours (after the background colour) on every scanline. We then had 8 colours that were fixed for all screens as the main character used these. The other 8 colours changed per background and were used for both the background and sprites. So you could have up to 256 colours, but it was tricky at times as sprites were limited depending if they needed to move vertically. If so then they could only use the last 16 colours.“
– Quelle: English Amiga Board
http://eab.abime.net/showthread.php?t=72745
Ich wusste damals jedenfalls nichts davon. Ob man mir das glauben mag oder nicht, gemerkt habe ich's aber – bedingt durch einen glücklichen Zufall. Auf dem damaligen PC meines Schwagers pennte das Adventure nämlich ohne sein Wissen auf der Festplatte. Als ich das sah, zögerte ich nicht lange, es auszuprobieren. Grafisch gefiel mir die Amiga-(ECS)-Fassung nämlich so sehr, ich wollte unbedingt sehen, wie es auf einem VGA-PC mit mehr Farben wohl ausschaut. Im Laufe der Jahre machte ich das mit allerlei Adventures – darunter 'Indiana Jones IV' oder die beiden ersten 'Monkey Island'-Ableger. Und bei jedem sprangen mir die optischen Unterschiede, durch die viel höhere Farbpalette des VGA-Standards, praktisch sofort ins Auge. Gerade wenn man die Amiga-Fassungen wie ich auswendig kennt. Bei 'Universe' jedoch: Fehlanzeige. Es sah schlicht identisch aus. Die Hintergründe wirkten am PC nicht bunter, am Amiga nicht farbärmer. Wie konnte das sein? Zum Schluss ging ich davon aus, dass die Künstler von 'Core Design' es wohl irgendwie schafften, die 32 Farben der Amiga-Fassung äußerst geschickt zu nutzen und konvertierten dann eben diese Fassung für die DOS-Maschinen. Das beruhigte meinen Wissensdrang zumindest annehmbar. Manche Shots sahen jedoch so nach AGA bzw. VGA aus, stets blieb die Skepsis. Erst eine ganze Stange Jahre später las ich von dem eben beschriebenen Programmiertrick. Das verblüffte mich so sehr, ich begann direkt kräftig im nun existenten Internet mit allerhand Recherchen. Stimmte das wirklich: 256 Farben auf einem ECS-Amiga? Letztlich habe ich's dann einfach ausprobiert und Screenshots in ein Grafikprogramm geladen. Das Resultat: Das Bild im Anschluss, auf welchem Boris in Ketten liegt, beinhaltet satte 224 Farben. Es beeindruckt mich tatsächlich noch immer. Je mehr ich aber begann, darüber nachzudenken, je mehr ärgerte ich mich über die vielen verpassten Chancen. Es drängte sich die unerbittliche Frage auf: Was wäre alles möglich gewesen, wenn das breite Anwendung gefunden hätte? Ein erschummeltes AGA-Chipset (wenn man es denn so nennen möchte). Dahinter steckte so viel Potential. Absolut ärgerlich. 1994 war's leider dafür zu spät. Drei Jahre früher und 'Core Design' hätte vielleicht Geschichte geschrieben, mit einer Technik, die nichts Weniger gewesen wäre, als eine Brücke zwischen ECS- und AGA-Maschinen. Wenn man den Amiga so liebt, wie ich das tue, kommt mit dieser Erkenntnis die Schwermut.
Auf dem PC gehen die technischen Tricks übrigens noch ein Stück weiter als auf der Freundin von Commodore. Der zugegebenermaßen gute Soundtrack auf den DOS-Maschinen passt sich nämlich, ähnlich dem iMuse-System von 'LucasArts', dynamisch an Situationen an. Daher sind die musikalischen Untermalungen zwischen den Fassungen sehr unterschiedlich. In der Tat gefallen mir beide sehr gut. Will man heute spielen, ich würde raten, zur DOS-Version zu greifen. So etwas von mir zu hören, gibt's sicherlich nicht alle Tage. Ich möchte jedoch Neulingen gern direkt auf die meiner Meinung nach beste Erfahrung hinweisen. Auf dem Amiga ist die mögliche, fehlende Festplatten-Installation letztlich das K.O.-Kriterium für mich. Klar, es gibt natürlich solch' coole Lösungen wie das WHDLoad-System, durch das man solche Spiele ebenfalls auf der Festplatte parken kann. Leider werden dort Spielstände allerdings nur final gespeichert, wenn das Adventure sauber beendet. Stürzt es ab, was leider gern mal passiert, ist der Spielstand weg. Zusätzlich stört das extrem umständliche Speichersystem des Spieles selbst, welches in Zusammenhang mit diesem Problem echt Nerven kostet. Das ist jedoch nur meine persönliche Meinung. Und nicht falsch verstehen: Das WHDLoad-System ist großartig!

Vom technischen Drumherum abgesehen, halte ich 'Universe' für ein extrem unterschätztes Adventure. Denn grundsätzlich beherbegt es alles, was ein guter Titel braucht. Es ist ein waschechtes Abenteuer bis in die digitalen Haarspitzen. Ich habe allerdings eine Vermutung, wieso es dennoch in der Adventure-Historie unterging. Aber dazu komme ich gleich. Vorher erst einmal noch ein paar Worte zur Handlung: Der junge Boris lebt in dem kleinen Kaff Ashy-de-la-Zouch, dem fiktiven Dorf, mit dem unausprechlichsten Namen aller Zeiten. Als er eines Tages zu seinem Onkel gerufen wird, kann er seine Neugier nicht bremsen. gleicht dessen Wohnung einem futuristischen Labor. Nur das stink-langweilige Dorf kennend, kann sich Boris es nicht verkneifen, die Labore zu erkunden. Bis letztlich ein seltsames Gerät seine Aufmerksamkeit weckt. Inmitten eines Zimmers befindet sich eine bohnenförmige Maschine. Gerade groß genug, dass ein Mensch darin Platz findet. Schnell ist ein Knopf gedrückt, das Ding zum Leben erweckt und BUMM ... Boris findet sich nur einen Wimpernschlag später auf einem Asteroiden mitten im Weltall wieder. Er hat sich ans andere Ende des Universums teleportiert. Aber wie kommt er zurück? Eine unbekannte Welt voller fremder Wesen und Technologien wartet auf die Erkundung. Für mich der Stoff, aus dem die Träume sind.

Ich liebe dieses Adventure schon für die gut ersten 5 Minuten des Intros. Die Art wie das alles präsentiert wird. Wir blättern in einem Tagebuch, welches uns die Geschichte erzählt, im Hintergrund diese neugiererweckende Musik. Das packt mich immer wieder. So schafft man Interesse an einem Titel. Tatsächlich konnte ich nach dem ersten Start damals nicht mehr aufhören. Das Adventure musste schlicht von mir durchrätselt werden, das stand mal fest. Dummerweise habe ich leider die Vermutung, die cleveren Techniker, welche den Grafik-Modus so geschickt überlisteten, zeigen sich ebenfalls für das Interface verantwortlich. Ganz nach dem Motto "Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht", warfen die selbstbewusst die längst vorhandenen Erfahrungen von Platzhirschen wie 'LucasArts' oder 'Sierra' über Bord. Leider muss man das ganz deutlich sagen: Das Interface ist ein absoluter Graus. Während man bei 'LucasArts' längst begriff, unnütze Verben wie "Schalte ein" oder "Schalte aus" aus dem bekannten SCUMM-System zu verbannen, dachten sich die Jungs und Mädels bei 'Core Design' glatt neue aus. Das simple Verb "Benutzen" wird hier in verschiedenste Situationen zerlegt: "Einsetzen", "Kombinieren", "Essen/Trinken", "Ziehen/Drücken", "Anziehen", "Werfen", "Öffnen/Schließen" oder "Springen". Was zum Geier?!? Geht es bitte noch umständlicher? Aber mehr wäre da doch sicher drin gewesen. Mir fallen noch "Schwimmen", "Einatmen/Ausatmen", "Nasebohren" und "Haare kämmen" ein. Doch Spaß beiseite: Die Story hatte mich so in ihren Bann gezogen, es ist unentschuldbar wie die Steuerung diese Begeisterung problemlos im Minutentakt einfach kaputt macht. Es erschwert den Titel völlig unnötig. Selbst wenn man auf die Lösung eines Rätsels kommt, kann es durchaus passieren, versehentlich das falsche "Benutzen" zu wählen und daraufhin völlig unnötig festzuhängen. Natürlich tut es mir im Herzen weh, so etwas als Adventure-Fan zu schreiben, doch wer sich heute dem Titel annähert, der sollte eine Komplettlösung mit auf die Reise nehmen. Nebst Steuerung ist nämlich alles generell komplizierter als eigentlich notwendig. So schön die Locations sein mögen, ständig übersieht man relevante Hotspots. Darüberhinaus sind manche Lösungen ziemlich abwegig.

Die Briten von 'Core Design' hätten hier etwas echt Großes schaffen können. So Vieles stimmt in diesem Adventure einfach. Setting und Atmosphäre sind gar großartig. Das macht es um so ärgerlicher, wenn andere Elemente letztlich nicht richtig passen und dem Erlebnis gar im Wege stehen. Warum sich für dieses schräge Interface entschieden wurde, grenzt schon an Sünde. Ich hatte jedenfalls durchweg das Gefühl, für simpelste Aktionen zehnmal zu oft mit der Maus klicken sowie stets die vielen Varianten von "Benutzen" berücksichtigen zu müssen. Doch trotz allem verflog niemals wirklich der Reiz. 'Universe' hat etwas. Und eben dieses Etwas hat mich tatsächlich nie mehr losgelassen.
'Universe' (Amiga "AGA"/1994) - Durch einen technisch raffinierten Kniff erstrahlt Boris' Reise selbst auf einem ECS-Amiga in 256 Farben. Was hätte man mit diesem Verfahren alles bewerkstelligen können. Leider zu spät, technisch beeindruckend bleibt's aber ohne Einschränkung bis heute

Oldtimer: Erlebte Geschichte Teil II
Ach ja, ‚Oldtimer‘ vom österreichischen Spieleentwickler ‚Max Design‘ gilt für mich als eines der Spiele, welche halfen, einfach mal runterzukommen. Der Titel besitzt nämlich die tolle Gabe, alles um einen herum zu entschleunigen. Damit will ich jedoch mit keiner Silbe andeuten, das Geschehen auf dem Monitor wäre langweilig. Ganz im Gegenteil: Als Firmenboss eines angehenden Automobilkonzerns startet man im Jahre 1886 mit den Ambitionen, irgendwann die Branche zu dominieren. Dabei schafften es die Österreicher, der Wirtschaftssimulation gerade so viel Komplexität mit auf den Weg zu geben, um einen totalen Genre-Anfänger wie mich nicht zu überfordern. Wenn ich mal richtig über einen Grund nachdenke, was mir genau an ‚Oldtimer‘ so gefällt, ist es recht schwer, einzelne Segmente klar zu benennen. Das Gesamtpaket passt einfach. Es stimmte schlicht so Viel. Kaum klickte man das mit „StartOldtimer“ betitelte Icon auf dem Amiga doppelt an, passierten zwei Dinge nur Momente später: Das „Max Design“ Logo flimmerte auf dem Bildschirm und es erklang das niemals langweilig werdende Musikstück. ‚Oldtimer‘ besitzt nämlich (ähnlich wie ‚Die Siedler‘ von ‚Blue Byte‘) nur einen einzigen Track, der mehrmals, jedoch nicht unendlich, wiederholt wird. Und was liebe ich diese Melodie noch heute. In den Credits zu Beginn wird Stefan Poiss als Komponist dieses Stücks Amiga-Musik-Geschichte benannt. Normalerweise wirklich für mich unüblich, habe ich den Namen damals zwar gelesen, doch niemals im Gedächtnis behalten. Vielleicht entschuldigt seine jetzige explizite Nennung diesen Missstand etwas. Denn verdient hat er das Lob auf jeden Fall. Beim Tippen dieser Zeilen höre ich die Melodie zum wahrscheinlich Tausendsten Male im Hintergrund und da sind sie wieder: Diese wohligen Gefühle, befeuert durch die zahllosen Stunden in meiner Erinnerung, als ich den Titel an verregneten Nachmittagen in meinem Kämmerlein spielte. Immer wieder unglaublich, was Musik auslösen kann – gerade bei mir. Leider habe ich mir niemals die Zeit genommen, ein Instrument zu erlernen. Trotzdem sollte man nicht den Fehler machen, mein Gedächtnis für schöne Melodien zu unterschätzen. Da passte es natürlich schon immer, ein Amiga-User zu sein. Gerade von 1985 bis 1992 gab es eigentlich kein vergleichbares System, welches mit dieser an CD-Qualität erinnernde Wucht mithielt. ‚Oldtimer‘ erschien zwar erst im Jahre 1996, aber man erwartete nach so vielen Jahren am Amiga einfach einen ordentlichen Soundtrack. Was für Konkurrenzsysteme neu sein sollte, galt für uns Commodore-Fans längst als selbstverständlich. Die Entwickler von ‚Oldtimer‘ machte da also alles absolut richtig. Zumindest in meinen Augen: Der Rezipient des damals großartigen ‚Amiga Jokers‘ bezeichnete die Musik unverständlicherweise völlig gegensätzlich als „nervig (aber abstellbar)“.

Die Wirtschaftssimulation besaß selbstredend noch weitere Facetten, die mich begeisterten. Die wunderschön gepixelte Grafik zum Beispiel, die irgendwie einen gekonnten Spagat zwischen Realismus und Pixel-Look schafft. Obendrein haben es mir bis heute die warmen Farben angetan. Selbst Orte wie die triste Forschungsabteilung oder ein langweiliges Büro wirken durchweg schlicht irgendwie gemütlich. Natürlich hatte das einmal mehr seinen Preis in Form von satten acht Disketten. Die Ladezeiten von denen hielten sich zwar in Grenzen, doch das häufige Wechseln der Floppies brachte die angesprochene Gemütlichkeit ziemlich ins Stocken. Tatsächlich machte ich meine ersten Runden als Boss eines wachsenden Automobilkonzerns auf dem Amiga 500. Und wer fleißig meine Artikel verfolgt weiß, dass ich für den niemals eine Festplatte besaß. Allerdings sollte das noch nicht einmal der Grund sein, warum ich später unbedingt die AGA-Version für meinen späteren Amiga 1200 haben musste. Neben Festplatte, dem obligatorisch größeren Farbtopf kam die Optik hier nicht nur besser zum Tragen, es fehlte in der Tat ein Stück in der ECS-Variante, die nur hier zu finden war: die Probefahrten. Hatte man mit seinen Ingenieuren den ersten Prototyp entwickelt, durfte man sich selbst ans Steuer des neuen Wagens setzen. Was sich als kleines, cooles Feature in Reviews diverser Zeitschriften las, passte letztlich perfekt in den Titel. Ich mochte ‚Oldtimer‘ bereits in der ECS-Version für den Amiga 500 so sehr, dass ich es schade fand, mit der nun etwas zu verpassen. Als Grund für das Fehlen in der farbärmeren Version gab man übrigens der Performance die Schuld. Der schwache 68000er Prozessor mit seinen mageren 7 MHz packte es schlicht nicht. Selbst ein unaufgerüsteter Amiga 1200 mit dem schnelleren 68020er sollte gar seine Schwierigkeiten haben. Letztlich kann ich mich an eines gut erinnern: Mit dem Erscheinen der AGA-Fassung gab‘s plötzlich zwei Systemanforderungen. Eine sehr moderat für das eigentliche Spiel (da reichte bereits ein Standard-Amiga-1200), die andere ein ganzes Stück höher, welche den Testfahrten galt. Und die hatten es schon in sich, ließen sich jedoch abgekürzt wie folgt zusammenfassen: Ab einem 68020 war‘s startbar, ab einem 68030 spielbar und ab einem 68040 richtig genießbar. Die hohen Anforderungen entstanden übrigens aus der Verwendung der Megascape-Technologie – einem selbstgeschriebenen Grafikmodus von ‚Max Design‘. Die mit 4096 Farben gleichzeitig vor dem Spieler aufbauende Landschaft hätte nämlich eigentlich den Speicher der damaligen AGA-Amigas sprengen müssen. Tatsächlich schafften es die Entwickler durch ihren Modus die 32 MByte verschlingende Umgebung auf einem Rechner mit nur 2 MB RAM darzustellen, ohne einen sichtbaren optischen Verlust zu generieren. Das war nicht nur beeindruckend, obendrein machte das Cruisen über den recht großen Parcous wirklich Spaß. Weshalb ich mich oft dabei ertappte, einfach schnell einen Prototypen hastig zusammenzupappen, nur um den dann anschließend fahren zu können. Das Geschwindigkeitsgefühl gab überdies einen sehr guten Einblick, wie das mit der Motorisierung einmal anfing. Mit 20 km/h durch die Gegend zu „brettern“ lässt erahnen, wie vor über 100 Jahren gereist wurde.

Das Machwerk der Österreicher darf man übrigens als geschichtlich wertvoll betrachten. Man nahm sich wirklich die Zeit, recherchierte viele Fakten längst vergessener Tage und baute die historisch korrekt in das eigentlich Spiel ein. Optisch digitalisierten die Entwickler obendrein zahlreiche Videoschnipsel aus diversen historischem Filmmaterialien. Für Geschichtsinteressierte lag leider nur der PC-Version ein Automobil-Lexikon sowie weitere Ton- und Filmaufnahmen bei. Wer aus dieser Entscheidung herausliest, man hätte vorrangig für den PC entwickelt, irrt. Die Mannen von ‚Max Design‘ bekannten sich stets als waschechte Amiga-Fans. Bevor ‚Oldtimer‘ zum Beispiel begann, zeigten sie ihren Enthusiasmus überdeutlich mit dem Schriftzug „Amiga lebt“ bei jedem einzelnen Start des Spieles. Trotzdem stoppte die Fima nach ihrer tollen Wirtschaftssimulation sämtliche Entwicklungen für den Amiga. In einem Jahre später gelesenen Gespräch, was ich leider nicht mehr fand, kann ich mich noch an die Worte des Interviewten erinnern – einem (ehemaligen) Manager des Unternehmens. Als der auf die Frage antwortete, wie er zum Amiga stehe, meinte er sinngemäß, dass die Zeiten mit dem Rechner von Commodore aus Spielersicht großartig und missenswert sei – wirtschaftlich wolle man aber nichts mehr mit dem System zu tun haben. Die Raubkopierer hatten einfach zu viel Schaden angerichtet. Für mich beherbergte der bereits angesprochene Schriftzug „Amiga lebt“ genau deswegen leider von Anfang an viel böse Ironie in sich. Denn direkt auf diese aufbauenden Worte folgte die Kopierschutzabfrage. Ich stellte mir bereits damals die eigentlich ziemlich zynische Frage: Welcher Spieler greift hier tatsächlich zum Handbuch ... ?
'Oldtimer' (Amiga AGA/1996) - "AMIGA LEBT": Niemals werde ich dieses Schriftzug im Intro vergessen, der zeigte, dass 'Max Design' für den Commodore-Rechner einstand. Leider nützte selbst dieser Enthusiasmus nichts. Es ist die letzte Amiga-Veröffentlichung der österreichischen Schmiede gewesen.

Fortsetzung in der nächsten Kolumne …

Falko Tetzner _ 01.02.2020

Kommentare

AmigaMaster:

Da trifft mich mal wieder der Schlag. Ihr seid doch Hörer vom Retrokompott Stammtisch, oder? Da habe ich das Thema in Folge 43 vor 6 Wochen angesprochen und wir haben gemeinsam gerätselt, ob es nun auch eine ECS Version gab oder nicht, weil über die findet man im Grunde nichts. Alle zeigten sich von der beeindruckend gut klingenden Sprachausgabe (es ist ja immerhin nur 8-Bit Sprachausgabe) fasziniert.

Umso erstaunter war ich, da die Erinnerung uns alle trübte, dass es tatsächlich eine ECS Version gibt und zwar sind auf der CD Version alle Versionen des Spiels enthalten. Legt man die CD ins CD-ROM Laufwerk ein, so lächeln einem neben dem AGA Installer auch ein ECS Installer an und auf einem CD32 bootet sie CD ganz normal. Ich wage gar nicht dran zu denken, wie die Performance auf einem 500er in den isometrischen Ansichten gewesen sein muss. Lt. http://superadventuresingaming.blogspot.com/2018/08/inherit-earth-quest-for-orb-ms-dos.html wohl bei 1-2 Bildern pro Sekunde.

Die ECS Grafiken waren wunderschön, darüber steht eigentlich nur Simon the Sorcerer oder die Adventures von Revolution Software wie Beneath a Steel Sky und Lure of the Temptress.

Und wären da nicht die Labyrinthe, hätte ich es sicherlich auch ein zweites Mal gespielt. Naja, vielleicht irgendwann.

Und jetzt alle gemeinsam freuen auf die nächsten drei Wochen zur vervollständigung der Kolumne Teil 20.

(11.01.2020 _ 17:06:02)

Falko Tetzner (Webmaster):

Hallo AmigaMaster,
das ist korrekt. Auf der CD-Version findet sich sowohl die ECS, AGA sowie CD32-Fassung. Über die farbarme ECS-Variante findet man wohl aus dem Grund so wenig, da die CD-Version generell alles überstrahlte und das passende CD-ROM-Laufwerk wohl zu einem hohen Prozentsatz an einer AGA-Maschine hing. ECS-Amigas mit CD-ROM wird's gefühlt nicht so viele gegeben haben, denke ich. Maximal vielleicht noch das CDTV.

Zwei Kolumnen-Ausgaben dieser Reihe zuvor (Part XVIII bzw. Kolumne 63) habe ich die ECS-Variante von 'Erben der Erde' übrigens mit drin. Dort stelle ich sie dem AGA-Bruder in der Galerie gegenüber. Man sieht da sehr schön die Differenzen. Ich persönlich besaß zu dieser Zeit damals eben schon einen Amiga 1200. Von daher interessierte mich das farbärmere 'Erben der Erde' nicht mehr so sehr. Die Spielstände der CD-Version sind übrigens für ECS und AGA verwendbar. Da konnte man immer schön hin und her springen und sich anschauen, wie manche farbstarken Locations in nur 32 Koloriten aussahen.

(11.01.2020 _ 17:57:23)

Simon Haubitz:

Ein alter Schulfreund von mir hatte eine Disketten-Fassung für seinen PC. Ich habe es ein- zweimal miterleben dürfen und wusste sofort: DAS SPIEL MUSS ICH HABEN!

Ich habe zuerst versucht an eine Fassung für den Amiga 500 zu bekommen, weil ich damals noch keinen PC besaß. Als ich endlich einen Händler gefunden hatte, der diese anbot, schickte man stattdessen die Amiga 1200 Fassung (die ich heute noch habe und bis heute nicht benutzen konnte), worüber ich heute noch sehr sauer bin, weil ich am Telefon dreimal Amiga 500 sagte.

Mitte der 90er als ich dann meinen ersten PC mit CDRom-Laufwerk bekam, legte ich mir dann eine Bestseller Games mit "Erben der Erde" als Beilage zu.

Und ich war von Anfang an begeistert! Die Story, der Sound (allen voran die für damalige Verhältnisse Top-Synchro), die Atmosphäre! Alles war für mich perfekt.

Und heute kann ich immer noch behaupten: "Erben der Erde" ist für mich einer DER unterschätzten Klassiker des Adventure-Genres.

(14.01.2020 _ 20:47:24)

AmigaMaster:

Interessant zu lesen, wie Du die technischen Details zu Universe recherchiert hast. Ich wusste, dass das Spiel 256 Farben auf den Bildschirm zaubert, wusste aber nicht, welche Tricks dafür angewendet wurden. Ich finde das immer interessant zu lesen, macht es doch den Iddenreichtum klar, den damals viele Programmierer anwenden wollten, um technische Limits zu umgehen oder Tricks zu finden, die etwas besser erscheinen lassen, als technisch vorgesehen.

Alles in allem fand ich das Spiel damals in jedem Fall unheimlich interessant, habe es selbst aber nur mit Lösung spielen können - und selbst damit hatte ich Probleme, die passenden Verben zu finden. Diesen Punkt kann ich also voll und gaz bestätigen.
Was Universe für mich so interessant macht, ist in jedem Fall die Science-Fiction Story und auch der Soundtrack, der dazu beiträgt eine geheimnisvoll, düstere Stimmung zu verbreiten. Aktuell würde ich Universe nicht noch einmal spielen. Das liegt mit an zu viel gute Spiele und zu wenig Zeit. Dreamweb wollte ich ja schon seit Teil 1 der Kolumne angehen, es hat bisher aber noch nicht dazu gereicht.

Oldtimer habe ich damals zwar ein wenig gespielt aber das hatte keine Chance gegen "Erlebte Geschichte Teil 1: 1869", das hat mich gefesselt, vielleicht auch deshalb, da es weitaus weniger anspruchsvoll war.

(15.03.2020 _ 13:21:54)

Erde:

Die Erben der Erde Geschichte wurde von den Machern in einem Webcomic weitererzählt: http://inherittheearth.net/archives.php

(04.07.2021 _ 23:55:57)

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